Buchbesprechung | Veröffentlicht in MIZ 4/20 | Geschrieben von Christoph Lammers

Rezension von Wiesinger / Thies: Machtkampf im Ministerium. Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört

Wiesinger, Susanne / Thies, Jan: Machtkampf im Ministerium. Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört. Edition QVV, Wien 2020. 233 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro. ISBN: 978-3-200-06697-7

2018 veröffentlichte die Lehrerin und Gewerkschafterin Susanne Wiesinger das vieldiskutierte Buch Machtkampf im Klassenzimmer. Ein Buch, welches die offensichtliche Spaltung der politischen Lager in Fragen von Migration und Islam(ismus) vorantrieb und für einige Zeit die öffentliche Diskussion bestimmte.

Für den parteilosen, aber der ÖVP nahestehenden damaligen Bildungs­minister Heinz Faßmann eine willkommene Gelegenheit, die streitbare Lehrerin ins Ministerium zu holen und ihr die Ombudsstelle für Wertefragen und Kulturkonflikte anzuvertrauen. Ein Grund dafür mag der Überzeugung geschuldet sein, Wiesinger würde sich schon einfügen und, im Sinne der Konservativen, die Missstände im „roten Wien“ offenlegen. Schließlich prangerte Wiesinger mit deutlichen Worten das „Wegschauen der Behörden“ an. Deutlicher als sie wagte sich zu diesem Zeitpunkt niemand aus der Deckung. Insoweit kam Wiesinger den Konservativen sehr gelegen.

Nicht einmal zwei Jahre nach der Übernahme des Amtes stellte Wiesinger ihr neuestes Buch Macht­kampf im Ministerium vor. Eine Ab­rechnung mit der parteipolitischen Ausrichtung in der Bildungspolitik. Mit anderen Worten: Bildungspolitik wurde und wird eher aus dem Kalkül heraus, Meinungen von Wähler_innen und Interessen von Parteimitgliedern zu bedienen, statt diese aus der Perspektive von Kindern und Eltern zu betreiben. Das Entsetzen war groß – auf allen Seiten. Während der Bildungsminister Wiesinger wegen politischer Differen­zen vorzeitig entließ, wurde die Autorin von Wissenschaftler_innen und 
Politiker_innen links der Mitte heftig 
angegangen. Ihr wurde unseriöses Ar­beiten vorgeworfen. Ihr Buch sei reißerisch geschrieben und berücksichtige Fakten und Studien nicht. Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist nicht zu erkennen.
Es sei an dieser Stelle einmal dahingestellt, ob es überhaupt der Anspruch der Autorin war, eine wissenschaftlich ausgewogene Arbeit vorzulegen. Das Problem, welches sich immer wieder auftut, sobald es sich um Fragen von Migration und Integration dreht, ist die Frage der Positionierung, we
niger des Erkenntnisgewinns zwecks 
Veränderung. Dass auch Wissen­schaft­ler_innen, die nicht der Deutungshoheit beipflichten wollen, ins Abseits gestellt werden, ist bekannt. Die Frage hier lautet doch, was wäre gewesen, wäre sie zu einem ganz anderen Urteil gekommen?

Sicherlich, ihre Darstellung ist dem Umstand geschuldet, nicht die Veränderungen herbeigeführt haben zu können, die sie sich zu Beginn ihrer Tätigkeit vielleicht vorgestellt haben mag. Die Enttäuschung über das Nichterreichte liest man in fast jeder Zeile des Buches. Aber ihre Vorschläge, u.a. zur Vorschulerziehung, der Zusammenarbeit mit ElterN, Aus- und Fortbildungen für Lehrer_innen, Ganztagsschulen oder auch der Rolle von Ethik- und Religionsunterricht in den Schulen, sind diskutabel. Nicht mehr und auch nicht weniger.