Protest gegen Ferda Ataman
Als die eher meinungsfreudige als reflektierte Journalistin Ferda Ataman von Bündnis 90/Die Grünen als „Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“ vorgeschlagen wurde, kam sofort Kritik auf. Eine der wichtigsten Stimmen gegen die ehemalige Redenschreiberin von Armin Laschet kam von den Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung (MiSS). Sie initiierten einen Offenen Brief, der von zahlreichen Repräsentant:innen von säkularen und migrantischen Organisationen uns sehr vielen Einzelpersonen unterzeichnet wurde, darunter Lale Akgün, Seyran Ates, Güner Balci, Naïla Chikhi, Ahmad Mansour oder der Bundesvorsitzende Kurdische Gemeinde Deutschland Ali Ertan Toprak.
Die Unterzeichner:innen werfen Ataman vor, sie blende „sowohl den Rassismus gegenüber nicht muslimisch geprägten MigrantInnen wie auch gegenüber Minderheiten aus der Türkei, Menschen aus Asien, aus Südamerika oder slawischen Ländern aus, wie auch den von MigrantInnen selbst ausgehenden Rassismus gegenüber anderen ethnisch-religiösen Minderheiten“. Wer sich kritisch mit beispielsweise patriarchalischen Strukturen innerhalb migrantischer Communities befasst, könne nicht auf ihre Solidarität zählen, im Gegenteil: „Anstatt den Mut dieser Stimmen zu loben, durch Kritik einen demokratischen Diskurs innerhalb ihrer sogenannten Gemeinschaften zu fördern und sich gegen Selbstjustiz in Form von Morddrohungen zu stellen, verhöhnt Frau Ataman bedrohte migrantisch gelesene Personen.“ Imme wieder sei es sogar vorgekommen, dass sich Ataman selbst diskriminierend über Personen geäußert habe, die ihre politischen Meinungen nicht teilen, in Einzelfällen wie bei Hamed Abdel-Samad habe sie sogar gefordert diese ganz aus dem Diskurs auszuschließen. „Anstatt der Vielfalt von migrantischen Stimmen Gehör zu verschaffen, versucht sie, andere Meinungen mit Diffamierungen zu ersticken.“
Da sie sie „Gewalt und Diskriminierung innerhalb der Migrationsgesellschaft übergeht, den Islamismus und nationalen Rechtsextremismus bagatellisiert und Menschen in Kategorien einordnet“ sei sie eine für die Leitung der Antidiskriminierungsstelle ungeeignet.
Der Offene Brief kann eingesehen werden.
Freundeskreis eröffnet
Anfang Juli hat der Zentralrat der Konfessionsfreien seinen Freundeskreis eröffnet. Der Beitritt ist an keinerlei Bedingung geknüpft, bringt weder Rechte noch Pflichten mit sich. Für eine Anmeldung muss auf der Webseite des Zentralrates einfach die Mailadresse angegeben werden. Zentralrats- Vorsitzender Philipp Möller sieht in dem Freundeskreis die Möglichkeit zu zeigen, wie viele Menschen sich hinter den politischen Zielen der Interessenvertretung der Konfessionslosen versammeln: „Wir verfolgen eine politische Agenda – dabei brauchen wir Unterstützung.“
Popularklage abgewiesen
Der Bayerische Verfasungsgerichtshof hat eine Popularklage gegen die Einführung eines Schulfachs „Islamischer Unterricht“ abgewiesen. Dieser war im Juli 2021 als Ersatzunterricht für Schüler:innen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen (ähnlich dem „Ethikunterricht“), beschlossen worden. Geklagt hatten der Bund für Geistesfreiheit (bfg) Bayern und die Regionalgruppe München der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Kritisiert wurde, dass in dem Fach ein staatlich verantworteter Islamkundeunterricht mit einem religiös-bekenntnisorientierten Islamunterricht vermengt werde, was als verfassungswidrig anzusehen sei.
Die Verfassungsgerichtshof verwies in der Begründung auf nicht ausreichend „substanziierte Grundrechtsrügen“. Aus den Lehrplänen könne nicht abgeleitet werden, dass der Unterricht gegen Grundrechte verstoße. Zudem seien Lehrpläne dem Verwaltungsvollzug zuzuordnen, der nicht Gegenstand einer Popularklage sein könne. Die säkularen Verbände kritisierten die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Durch den Verzicht auf eine inhaltliche Prüfung habe es sich das Gericht zu leicht gemacht, die Lehrpläne seien offenkundig Etikettenschwindel.
Seelsorge-Debatte
Wie kann eine von humanistischem Ethos getragene Sozialarbeit benannt werden? Über diese Frage wurde gerade im Humanistischen Pressedienst kontrovers diskutiert. Thomas Heinrichs, Vizepräsident des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg, hatte in einem Beitrag gefordert, nicht von „humanistischer Seelsorge“ zu sprechen. Zwar existiere der Begriff der Seele als Unterscheidungskriterium von belebter und unbelebter Materie schon sehr lange, aber er sei immer „ein Platzhalter für das mangelnde Wissen über das Leben“ gewesen. Indem die Biologie im Laufe des 19. Jahrhunderts die Prozesse des Lebens entschlüsselte, sei die Seele zu einem rein religiösen Begriff geworden. Gleichzeitig habe die kirchliche Seelsorge sich durch die Aufnahme psychologischer und soziologischer Kenntnisse und Praktiken modernisiert und sei heute „zu einem erheblichen Teil eine religiös angereicherte Gesprächs- beziehungsweise Psychotherapie“. Mit dieser „Anreicherung“ gehe jedoch ein „Qualitätsverlust“ einher, da sich moderne Psychotherapien nicht einfach mit religiösen Elementen verbinden ließen: „Zu Konzepten, die von der Autonomie des Menschen ausgehen, lässt sich die Abhängigkeit von einer nicht diesseitigen Instanz nicht reibungslos hinzufügen.“
In einem Kommentar hat Horst Groschopp dieser Auffassung widersprochen. Er führt an, dass der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) mit dem Begriff der humanistischen Seelsorge für seine Sozialarbeit einen Ausdruck gewählt habe, „der von Menschen verstanden wird und der den grundgesetzlichen Gegebenheiten und Fördermöglichkeiten entspricht. Histo risch verweist er auf die seit den 1890er Jahren im deutschsprachigen Raum entstandene ethische Kulturbewegung, die eine eigene humanitäre Praxis entwickelt und diese als „weltliche Seelsorge“ bezeichnet habe. Dass diese historische Wurzel des heutigen Humanismus in Vergessenheit geraten ist, liege auch daran, dass diese Strukturen durch den Nationalsozialismus zerschlagen wurden. Da unter den Begründer:innen dieser Praxis zahlreiche säkulare Jüd:innen, die das jüdische Gebot der Wohltätigkeit humanistisch deuteten, gewesen waren, sei diese Tradition nach 1945 nicht mehr aufgenommen worden.
IBKA-Preisverleihung
Am 10. September findet in Köln die mehrfach verschobene Verleihung des IBKA-Preises Sapio an Maryam Namazie statt. Die Sprecherin des Rates der Ex-Muslime Großbritanniens (Council of Ex-Muslims of Britain) erhält den Preis für ihren Einsatz „für gleiche Rechte und gegen Privilegierung oder Diskriminierung im Namen der Religion ein, für das Recht, Religion zu kritisieren, und gegen die Einmischung in private Angelegenheiten im Namen der Religion“.
In der Begründung schreibt der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, dass Menschen muslimischer Herkunft in Europa zwar eine Minderheit und als solche Diskriminierung ausgesetzt seien, es sei „aber ein Irrtum zu glauben, eine Diskriminierung könne verringert oder kompensiert werden, indem religiöse Strukturen privilegiert werden. Patriarchale und paternalistische Strukturen, die mit organisierter Religion verknüpft sind, müssen beim Namen genannt und problematisiert werden. Andernfalls bleibt die individuelle Selbstbestimmung auf der Strecke.“ Auch wenn es derzeit in manchen Kreisen nicht sehr populär sei, dies zu thematisieren, und sogar Rassismusvorwürfe zur Folge haben könne, betont IBKA-Vorsitzender René Hartmann die Universalität der Freiheitsrechte: „Wenn Menschen mit Migrationshintergrund Druck ausgesetzt sind, sich den religiös geprägten Normen ihres Umfelds anzupassen, ist das nicht weniger verwerflich als wenn sie seitens der Mehrheitsgesellschaft Druck erfahren, sich über das erwartbare Maß hinaus an die Kultur des Ziellandes anzupassen.“ Hier trifft sich die Vorstellung des IBKA mit der Kampagne One Law for All, die von Namazie maßgeblich geprägt wurde.
Die Preisverleihung findet im Bürgerhaus Kalk in Köln statt. Einlass ist ab 19 Uhr.