Zunächst heißt es ganz allgemein: „Austausch und Begegnung über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg sind wichtig, um gegenseitige Fehlwahrnehmungen zu korrigieren und Toleranz und ein respektvolles Miteinander einzuüben. Sie tragen dazu bei, nach Chancen der Kooperation Ausschau zu halten, aber auch Differenzen im Verständnis religiöser Überzeugungen offen anzusprechen.“ Dies bezieht sich zunächst auf das Judentum und den Islam, der allerdings in Deutschland – entgegen manchen Unkenrufen – nur sehr langsam wächst, weil auch bei Muslimen die Kinderzahl abnimmt. Dann heißt es aber: „Die geistige Situation der Gegenwart erfordert jedoch einen viel weitergehenden Dialog, einen Dialog der Weltanschauungen, der alle Menschen einbezieht, auch solche, die sich in Distanz zu einem religiösen Verständnis von Welt und Mensch begreifen. ... Die dynamischen weltanschaulichen Pluralisierungsprozesse der europäischen Gesellschaften vollziehen sich in unterschiedlichen Richtungen. Eine Kirche, die um ihren Auftrag weiß, wird deshalb dem Dialog mit Angehörigen anderer Religionen so wenig ausweichen wie dem Gespräch mit konfessionslosen, atheistischen oder postchristlichen Zeitgenossen. Weltanschauliche Vielfalt schafft für das christliche Zeugnis eine Vielzahl von Gesprächssituationen, auf die sich unsere gemeindliche Praxis erst begonnen hat einzustellen. Die grundlegenden Perspektiven der respektvollen Begegnung und der wechselseitig eingeräumten Freiheit zur Selbstdefinition gelten gleichermaßen für interreligiöse Begegnungen und weltanschauliche Dialoge. Dabei ist Dialog – oder bescheidener: lernbereite Kontaktaufnahme mit Angehörigen anderer Religionen und Weltanschauungen – kein ... Allheilmittel zur Pazifizierung von weltanschaulichen Konflikten und keineswegs immer möglich, aber letztlich alternativlos.“
Deutlich wird allerdings, dass die von Theologen geleitete EZW den Dialog mit Nichtglaubenden nur um Glaubensfragen führen will. Gerade da sind Weltanschauungsgemeinschaften aber meist konziliant. Sie haben nämlich längst erkannt: Diskussionen um bloße Glaubensfragen bleiben schon deshalb fruchtlos, weil die Inhalte und die verwendeten Begriffe notwendigerweise abstrakt und schwammig bleiben. Überdies hat jede(r) Gläubige einen etwas anderen Glauben und geht folglich von einem differierenden Glaubensbegriff aus. Nicht einmal im höchsten Leitungsgremium der EKD kann man sich darauf einigen, was zum Kernbereich des christlichen Glaubens gehört. Nur der Rahmen steht fest: Wer Glaubensfreiheit will, muss den säkularen Staat bejahen, denn – so paradox dies klingt – nur dieser garantiert Religions- und Weltanschauungsfreiheit für alle und nicht nur für die vorherrschende Ausrichtung.
Daher akzeptieren fast alle Konfessionslosenverbände längst jenen weltanschaulichen Pluralismus, den vor allem die Leitung der katholischen Kirche immer noch als Schreckgespenst sieht – unvereinbar mit jenem legendären Anspruch eines gewissen Kurienkardinals Ratzinger, der nach dem Zusammenbruch des „sozialistischen Ostblocks“ die „Rechristianisierung Europas“ ausrief. Aber selbst wenn sich die katholische Kirche wenigstens in Mitteleuropa nicht mehr als Richtschnur definiert, sondern als eine religiöse Gruppe unter mehreren, muss den Kirchen eines klar sein:
Einen Dialog mit säkularen Weltanschauungsgemeinschaften wird es in sinnvoller Form nur geben, wenn auch die bisherigen Privilegien der Kirche auf den Prüfstand gestellt werden, wie sie z.B. die damalige FDP bereits 1974 in ihrem immer noch aktuellen Kirchenpapier aufgelistet hat. Die Kirchen haben in Deutschland (Ost plus West) zwischen 1970 und 2011 genau ein Drittel ihres Bevölkerungsanteils verloren – von 87 auf 58 Prozent. Da sie unstrittig weiter schrumpfen werden, tun sie gut daran, rechtzeitig in den Dialog mit den nichtreligiösen Weltanschauungen einzutreten, bevor ihnen die Politik in ein oder zwei Jahrzehnten diesen Schritt aufnötigt.