Staat und Kirche | Veröffentlicht in MIZ 3/22 | Geschrieben von Redaktion MIZ und Ricarda Hinz

„Die Bevölkerung ist spürbar für eine klare Trennung von Staat und Religion“

Ein Gespräch über den Widerstand des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes gegen die kommunale Finanzierung 
des Kirchentags

2027 soll der Evangelische Kirchentag in Düsseldorf stattfinden. Und die Kommune soll mit über fünf Millionen Euro zur Finan­zierung beitragen. Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) findet das falsch und hat ein Bürgerbegehren dagegen gestartet. MIZ sprach mit Ricarda Hinz über städtische Blockadeversuche und die Erfolgsaussichten dieser für die säkulare Szene neuen Aktionsform.

MIZ: 2027 soll der Evangelische Kir­chen­tag in Düsseldorf stattfinden. Der Stadtrat hat im Juni einen Beschluss gefasst, das Ereignis mit mehr als fünf Millionen Euro zu subventionieren. Gibt es denn schon so etwas wie eine „Gesamtrechnung“ – also: Wie viele Leute werden erwartet? Wie viel zahlt die Kirche selbst? Wer trägt noch zur Finanzierung bei?

Ricarda Hinz: Die Stadtverwaltung Düsseldorf hat dem Rat eine Beschluss­vorlage vorgelegt, die eins zu eins den Wunschtext der Kirche wiedergibt. Da wird ein „noch zu gründender Verein“ mal eben mit 4,3 Mio. Euro in bar und 1,5 Mio. Euro in Sachleistungen ausgestattet. Darüber hinaus wird versprochen: „die Übernahme von Leistungen, die während der Durchführung des Kirchentages anfallen werden, und der­zeit noch nicht ermittelt werden können“. Also ein glatter Blankoscheck! Welcher noch nicht einmal gegründete Verein bekommt so eine Finanzzusage aus öffentlichen Mitteln? Das ist doch skandalös bis zum Anschlag.

Neben der Stadt gibt es noch weitere Töpfe: Der Bund zahlt jährlich eine halbe Millionen Euro für Kirchentage. Bei ökumenischen gern auch mal das Dreifache. Das Land öffnet ebenso großherzig das Steuerportemonnaie: Für 2027 gibt es von NRW noch weitere 7,5 Mio. zum Kirchentag dazu. Alles nur für fünf Tage! Ob und was die Kirche dann noch selbst bezahlt, steht in den Sternen, denn sie legen am Ende keine Abrechnungen vor. Reli­gionsgemeinschaften sind in Deutsch­land nicht rechenschaftspflichtig. Eine Trennung von Staat und Religion sieht anders aus.

Auch die überwiegend schwer gläubigen Kirchentagsbesucher werden zur Kasse gebeten: Ein Ticket kostet über hundert Euro. Dafür kann man mit diesem Ticket umsonst die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt, die Museen und Schwimmbäder besuchen. Das betont der Kirchentag im Ticketshop ausdrücklich. Hier verkauft Kirche wieder einmal die Dienstleistungen aller, denn gezahlt werden muss das ja von der Gesamtgesellschaft, und klebt wie selbstverständlich ihr Label darauf.

MIZ: Wie liefen denn die Debatten im Stadtrat, aber auch in der lokalen Öffentlichkeit ab?

Ricarda Hinz: Der Beschluss sollte eigentlich im Sommerloch und im Finanzausschuss durchgewunken werden. Wenn da nicht diese völlig unkritische, klitzekleine Notiz in der Rheinischen Post gestanden hätte: „Wie schön: der Kirchentag 2027 wird in Düsseldorf stattfinden und 100.000 Besucher bringen.“Als ich das las, war ich entsprechend genervt und erstattete Maximilian Steinhaus von der Aktionsgruppe 11tes-Gebot Bericht. Maximilian fischte dann über Nacht die Beschlussvorlage aus dem Netz. Wir konnten nicht fassen, was da beschlossen werden sollte und schlugen Alarm. Daraufhin wurde der säkulare Flügel der SPD wach und erwirkte, dass diese Beschlussvorlage doch wenigstens in die kommende Ratssitzung zu verlegen und der Diskussion zu stellen sei. David Farago packte seinen Moses ein, der ja die Tafel mit dem 11. Gebot „Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ auf dem Arm trägt, und stand vier Tage vor der Sitzung warnend auf dem Rathausvorplatz.

Dann erst wurde das Thema auch von der Presse als kontrovers wahr­genommen und wir konnten es, wie schon oft, live erfahren: Die Bevöl­ke­rung ist spürbar für eine klare Tren­nung von Staat und Religion, aber die Politiker:innen ignorieren diese säkulare Haltung zugunsten einer engen und verfassungswidrigen Kooperation mit der Religion. Auf Kirchentagen schunkeln sie nur allzu gern auf den Bühnen dieses alljährlichen, seelentrunkenen, vor Naivität triefenden und Millionen verschlingenden Events. Kurzum: es gab am Ende 17 vernünftige Nein-Stimmen zur Beschlussvorlage, 7 Enthaltungen und 48 Ja-Stimmen. Natürlich stimmte die CDU geschlossen für den Verfassungsbruch, aber leider gab es auch viele Ja-Stimmen aus der Grünen und SPD-Fraktion. Die Jungen Liberalen habe sich übrigens ausdrücklich gegen die Finanzierung des Kirchentags ausgesprochen.

MIZ: Ihr habt nach dem Stadtratsbe­schluss angekündigt, mit einem Bür­gerbegehren gegen die Entschei­dung vorzugehen. Was versprecht ihr euch davon?

Ricarda Hinz: Im besten Fall sammeln wir 15.000 Unterschriften und kippen den Ratsbeschluss damit erfolgreich. Falls das nicht klappen sollte, hätten wir zumindest für einen spürbaren Gegenwind gesorgt, der an diesem Kirchentag haften bleiben wird. Und wir hätten die Nachricht vervielfältigt, dass in unserer verschuldeten Stadt Düsseldorf plötzlich 6 Mio. Euro für einen Kirchentag locker gemacht werden können. Das Ausmaß dieser Finanzierung für ein nur 5-tägiges Fest hat bis jetzt noch alle empört. Am Ende ist das Geld nämlich weg. Es braucht nicht viel Fantasie, was man Sinnvolleres und Nachhaltigeres damit finanzieren könnte…

MIZ: Was steht für euch jetzt in den nächsten Wochen an?

Ricarda Hinz: Wir rühren jetzt kräftig die PR-Trommel. Wir haben einen Anhänger gekauft, auf den wir Moses und sein 11. Gebot montiert haben. Dieser wird nun fast täglich von uns in der Stadt spazieren gefahren. Wir sammeln Unterschriften an belebten Orten und im Internet mit Hilfe von innn.it, einer Plattform, die Bürgerbegehren unterstützt. Es ist auch für uns die erste Übung in direkter Demokratie. Um erfolgreich zu sein, brauchen wir die Unterschriften von 3% aller wahlberechtigten Düsseldorfer:innen. Das ist eine sehr hohe Hürde. NRW macht es Bürger- und Volksbegehren besonders schwer. Wir setzen dabei auf exponentielles Wachstum, d.h. wir versuchen, alle, die unterschreiben, davon zu überzeugen, zwei weitere Unterzeichnende zu finden. Entweder wird es uns gelingen, Düsseldorf mit dem säkularen Virus zu infizieren oder auch nicht. Sollte der eine oder die andere Leserin jetzt denken, „hey den Düsseldorfer:innen könnte ich helfen, ich nehme mir ne Woche Urlaub und sammel dort Unterschriften“, würde das unsere Chancen natürlich signifikant steigern!

MIZ: 15.000 Stimmen sind kein Pap­pen­stiel. Wie schätzt ihr denn eure Erfolgs­aussichten ein?

Ricarda Hinz: An geraden Tagen denke ich: „Das schaffen wir!“, und an ungeraden Tagen verfalle ich in Schwermut, weil wir das niemals schaffen werden. Klar ist: Wir werden uns ranhalten und das Beste rausholen! Es ist einfach toll, so ein motiviertes Team zu sehen und die positiven Reaktionen der Bürger:innen zu erfahren.

MIZ: Gibt es für Leute von außerhalb von Düsseldorf denn Möglichkeiten, euch zu unterstützen?

Ricarda Hinz: Ja, natürlich! Besucht jede:n Düsseldorfer:in, die ihr kennt und die ihr nicht kennt, und zwingt sie zu unterschreiben! Aber im Ernst, bitte kommt und stellt Euch mit Klemmbrett und Glühwein zu uns auf den Weihnachtsmarkt! Dafür statten wir Davids Moses jetzt auch extra mit einer LED-Beleuchtung aus. Denn die dunkle Jahreshälfte steht vor der Tür.

MIZ: Habt ihr den Eindruck, dass euch die Verwaltung Steine in den Weg legt?

Ricarda Hinz: Steine? Geröll! Das krasseste Beispiel ist wohl: Auf das zu unterschreibende Formular gehört laut Gesetz eine Kostenschätzung der Stadtverwaltung. Diese hat uns zuerst 8 Wochen warten lassen, um uns dann eine rechtswidrige und über zwei Seiten lange Kostenschätzung abzugeben. Darin stand, dass der Stadt ein zweistelliger Millionenbetrag entgehen würde, wenn der Kirchentag nicht stattfinden würde. Natürlich wollten sie nicht schreiben, dass die Stadt 6 Mio. Euro gewinnt, wenn sie nicht zahlt. Stattdessen sagte das Amt, wir hätten unsere zur Abstimmung zu bringende Frage zu ändern, denn der Kirchentag könne ja ohne das städtische Geld gar nicht stattfinden, und deshalb seien wir gegen den Kirchentag an sich.

Mit diesem Ergebnis mussten wir vor das Verwaltungsgericht ziehen. Da haben wir in allen Punkten Recht bekommen: 1. Die Kostenschätzung darf nur zwei Sätze lang sein, 2. Der erste Satz muss lauten: „Das Bürgerbegehren verursacht keine Kosten“, 3. Umsätze in der Stadt sind keine Einnahmen der Stadt, und 4. die genannten Gewerbesteuereinnahmen mussten weit nach unten korrigiert werden (und sie sind immer noch zu hoch eingeschätzt). Die Stadt hat damit zwar vor Gericht auf ganzer Linie verloren, aber der Sommer ist nun leider vorbei und im Winter Unterschriften zu sammeln wird eine schwierigere Übung. Ohne Zweifel hat die Stadtverwaltung Angst um ihren Kirchentag. Und das ist gut so.

MIZ: Angenommen, ihr könnt genug Unterschriften einsammeln, wie ginge es dann weiter?

Ricarda Hinz: Sinn eines Bürger­begehrens ist, dass die Bürger damit einfordern, über die auf der Unter­schriftenliste gestellte Frage selbst entscheiden zu dürfen. In unserem Fall lautet die Frage: „Sind sie dagegen, dass eine Förderung des Evangelischen Kirchentages 2027 mit Geldern und Sachleistungen der Stadt Düsseldorf in Höhe von 5,8 Mio. Euro erfolgt und wollen daher, dass der Ratsbeschluss vom 23. Juni 2022, der diese Förderung vorsieht, aufgehoben wird?“ Sollten wir die erforderliche Zahl der Unterschriften zusammen bekommen, wäre es dann an der Stadtverwaltung, einen sogenannten Bürgerentscheid durchzuführen, also die konkrete Abstimmung durch alle Wahlberechtigten. Mit allem drum und dran – Wahlunterlagen, Briefwahl, Wahlbüros und Stichtag. Das kann sie sich allerdings auch sparen, nämlich dann, wenn der Stadtrat von sich aus seine Entscheidung im Sinne des Begehrens ändert. Meistens geschieht das auch so, denn der politische Wille in der Bevölkerung ist offenkundig. Sollte der Stadtrat aber weiter auf seiner Fördersumme beharren, werden die Bürger zur Abstimmung gebeten. Dann entscheidet die einfache Mehrheit bei einer Mindestbeteiligung von 10%.

MIZ: Und was macht ihr denn, wenn ihr die am Ende nicht zusammenkriegt?

Ricarda Hinz: Tja dann heißt es: wieder aufrappeln, Dreck abklopfen und weiter fleißig (Religions-)Kritik üben.

MIZ: Danke fürs Gespräch. Wir werden trommeln.