MIZ 4/19

Im Schatten geblendet

Auf den Spuren der Aufklärung
Editorial

Die dialektische Aufklärung

Christoph Lammers

1784 formulierte der Philosoph Immanuel Kant die folgenden Sätze: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Es gibt bis heute kaum eine bekanntere – und vielleicht auch keine griffigere – Definition des Begriffes Aufklärung. An dessen Ende ein Aufruf Kants, ja ein Imperativ steht, den es auch heute noch zu beherzigen gilt: „Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“1

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Schwerpunktthema

Bereits die Alten Griechen zweifelten am Wahrheitsgehalt religiöser Vorstellungen, Foto: Pixabay
Schwerpunktthema

Aufklärung & Kritik als zentrale Komponenten alteuropäischer Identität

Hermann Josef Schmidt

Angesichts modischen Geredes, Europa sei in ausschlaggebender Weise determiniert durch seine christlich-jüdische Prägung, kann nicht oft genug wiederholt werden, dass, wie seit vielen Jahrzehnten bekannt und längst aufgearbeitet,1 die für europäisches Denken sowie spezifische europäische Identität entscheidenden Quellen historisch bei weitem früher, nämlich im 8. bis 5. Jahrhundert vor unserer kuriosen Zeitrechnung, und geographisch im großgriechischen Kulturraum zwischen der kleinasiatischen Mittelmeerküste und Unteritalien sowie Sizilien anzusetzen sind.

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Staat und Kirche

Kinder zu taufen, solange sie noch nicht selbst entscheiden kˆnnen, ist ein Eingriff in deren Selbstbestimmungsrecht, Foto: Pixabay
Staat und Kirche

Religionsfreiheit contra religiöse Dominanz
Warum Religionsgesellschaften gar kein Interesse 
an voller Religionsfreiheit haben

Gerhard Rampp

Wenn der Vatikan die Beziehungen zu Staaten definiert, steht die Forderung nach Religionsfreiheit an erster Stelle. Gemeint ist damit meist nur das Recht der Kirche, nach eigenem Gutdünken schalten und walten zu dürfen, ohne dass sich der Staat in kirchliche Angele­
genheiten einmischt – während sich die Kirche sehr wohl in staat­liche Angelegenheiten einmischen will. In Wirklichkeit ist der Be­griff „Religionsfreiheit“ aber weit umfassender, als die Kirchen glauben machen wollen.

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Am Stand der säkular engagierten Sozialdemokrat_innen beim Juso-Bundeskongress 2019, Schwerin, (v.l. Kühnert, Lein, Reitz), Foto: Gerhard Lein
Staat und Kirche

SPD und Säkularität

Gerhard Lein

Seit Jahren gibt es in der SPD Arbeitskreise, die sich um die Belange der christlichen Kirchen sowie der religiösen Minderheiten kümmern. Die wachsende Zahl der religiös nicht gebundenen schien bisher keiner besonderen Organisation zu bedürfen. Mit der Wahl des neuen Bundesvorstandes wird sich das nun ändern. Voraussichtlich wird dieses Gremium bereits in seiner konstituierenden Sitzung im Januar den Beschlüssen des Bundesparteitages folgen und die Arbeitskreise und Foren neu berufen.

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Prisma

Das Parfüm Gottes stinkt theologisch-tiefendimensional - gegen den Geruch des kinderfickenden schwitzenden Kirchenkörpers an und hebt ihn in der unio mystica olfaktorisch auf, Foto: Pixabay, Collage: Daniela Wakonigg
Prisma

Missbrauch mit dem Missbrauch
Bischof Wilmer, die sexualisierte Gewalt und das Parfüm Gottes

Rolf Cantzen

„Ist doch klar, dass du von Heiner Wilmer kein Interview kriegst.“ Ich hörte quasi das verständnislose Kopfschütteln meines Bruders durch den Telefonhörer. Mein Bruder kennt ihn besser. Er war ein Klassenkamerad des jetzigen Bischofs von Hildesheim. „Bischof Heiner“, so nennen ihn einige Mitschüler*innen, hat sie kürzlich zum Klassentreffen in einen bischöflichen Partykeller eingeladen. Mich natürlich nicht. Ich gehöre zwar zu den Ehemaligen der Schule, aber nicht zu seiner Klasse, weil ich vier Jahre vor ihm Abitur gemacht habe. Ich war sogar neun Jahre auf dem der Schule angeschlossenen katholischen Internat und gelte dort – ich telefoniere ab und zu mit institutionsnahen Ehemaligen – als Rebell und Nestbeschmutzer, weil ich als Journalist über sexualisierte Gewalt in dieser und anderen Internatsschulen berichtet hatte und früher als Schüler schon ganz schlimm gewesen sein soll.

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Quebec distanziert sich vom englischsprachigen Kanada, das religiöse Symbole in allen öffentlichen und privaten Bereichen für alle Minderheiten akzeptiert und verteidigt, Fotos: Pixabay, Collage: Daniela Wakonigg
Prisma

Beispielhafte Laizität
Quebec – wo sie den großen Schritt wagen

Naïla Chikhi

Eine Stille Revolution hat die katholische Vorherrschaft in Quebec zurückgedrängt: Bereits in den 1960er Jahren begannen die QuebecerInnen eine staatliche und gesellschaftliche Neuorientierung und entwickelten sozusagen eine andere Identität. Einige Errungenschaften seit der Trennung von Staat und Religion waren etwa das Frauenwahlrecht (1940), die Entkriminalisierung der Empfängnisverhütung (1969) und des Schwangerschaftsabbruchs (1989) oder auch die Anerkennung der Gleichberechtigung der EhepartnerInnen. Die Mehrheit der BürgerInnen distanziert sich seither vom kanadischen Föderalismus und befindet sich in einem modernen Prozess der De-Konfessionalisierung und Säkularisierung.

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Das Töten einer Kuh gilt im Hinduismus als Sakrileg, sie gilt als heiligste Tiergottheit, Foto: Pixabay
Prisma

Zu Tisch
Abgrenzung durch religiöse Speisevorschriften

Rainer Ponitka

In seinem 1907 veröffentlichten Aufsatz „Zwangshandlungen und Religionsübungen“ vergleicht Sigmund Freud die „Ähnlichkeit der sogenannten Zwangshandlungen Nervöser mit den Verrichtungen …, durch welche der Gläubige seine Frömmigkeit bezeugt“. Dieser Artikel widmet sich religiösen Speisevorschriften, welche meines Erachtens keinerlei gesteigerten ernährungswissenschaftlichen Nutzen aufweisen und vielmehr den Eindruck vermitteln, die jeweiligen Kulte und Religionen wollten ihre Anhänger wie deren Glauben durch die Nahrung kontrollieren.

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Hochglanz-Terrorismus: Cover des IS-Magazins "Dabiq" (Screenshot)
Prisma

Sisters of the Islamic State
Eine Analyse der Frauenrolle bei Daesh am Beispiel des Propagandamagazins Dabiq

Iria Weber

Daesh bietet für westlich sozialisierte Menschen enormes Attraktions- und Radikalisierungspotential, welches bei EinzeltäterInnen oder als AkteurInnen vernetzter Strukturen greifen kann. Hochrechnungen aus internationalen Forschungs- und Beobachtungszentren ergeben, dass mittlerweile mehrere zehntausend Menschen aus mindestens 81 Ländern freiwillig in die syrischen und irakischen Gebiete gezogen sind, welche unter der Besatzung des selbsternannten Islamischen Staates stehen. Öffentliche Debatten fokussieren sich aus diesem Grund häufig auf die sogenannten „foreign fighters“.

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Logo DA-Art-Award
Prisma

DA! Art-Award 2020: 
Düsseldorfs säkularer Kunstpreis

Redaktion MIZ

Der DA! Art-Award wird im Zwei-Jahres-Turnus unter einem jeweils wechselnden Thema vom Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) ausgelobt. Er will Künstlerinnen und Künstler inspirieren, sich kritisch mit Religion und Irrationalismus auseinanderzusetzen. Der Preis ist mit insgesamt 7000 Euro dotiert. Die nominierten Werke werden der Öffentlichkeit in einer einwöchigen Ausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum präsentiert.

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