Neulich | Veröffentlicht in MIZ 1/23 | Geschrieben von Daniela Wakonigg

Neulich …

... bei Königs

Was war das doch für ein herrlich bombastischer Schmalz neulich in Brexit-Land. Nach mehr als sieben Jahrzehnten in Warteposition bestieg Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor den britischen Thron. Und das nach einem jahrhundertealten Ritual mit religiös-magischem Klimbim vom Feinsten.

Nun ist eine Krönung per se ein religiöses Ereignis, bei dem – so die religiöse Interpretation des symbolischen Akts – Gott selbst durch seine kirchlichen Mittler einen weltlichen Herrscher als solchen legitimiert. Im ersten Akt des Spektakels in der Westminster Abbey musste Charles den Geistlichen deshalb zunächst auch erst einmal feierlich geloben, die Kirche von England und den Glauben stets zu verteidigen. Ohne Zusicherung von Pfründen an die Kirche keine kirchliche Legitimierung. Ein schlau ausgeheckter Deal.
Zur Religion steht der britische Monarch traditionell ohnehin in einer ganz besonderen Beziehung, er ist „Verteidiger des Glaubens und oberster Statthalter der Kirche von England“, sprich: er ist selbst das Oberhaupt der Kirche. Eine Konstruktion, die bekanntlich auf Heinrich VIII. zurückgeht – den, mit den vielen Frauen. Bevor Heinrich begann, seine unliebsam gewordenen Ehefrauen enthaupten zu lassen, versuchte er, selbige auf geschmeidigere Weise los zu werden. Er bat den Papst in Rom um eine Annulierung der Ehe. Doch als der sich weigerte, sagte sich Heinrich kurzerhand von Rom los, erklärte die Kirche von England für unabhängig und sich selbst zu ihrem Oberhaupt. Ein Amt, das seit jener Zeit zur Jobbeschreibung des englischen und später britischen Monarchen zählt.
Dass bei der Krönung eines kirchlichen und weltlichen Oberhaupts in Personalunion möglichst viel Magie zur Anwendung kommen muss, erklärt sich daher von selbst. So befindet sich unter dem Krönungsstuhl der „Stein des Schicksals“. Auf dem Stein wurden im frühen Mittelalter die schottischen Könige gekrönt, weil sie ihn für magisch hielten. Was die Engländer im 13. Jahrhundert dazu veranlasste, den Schotten den Stein zu mopsen. Wie immer die Magie des Steins funktioniert, es scheint wichtig, dass der neue britische Monarch den 150 Kilogramm schweren roten Sandsteinblock unter seinen vier royalen Buchstaben hat, während er zum König gesalbt wird.
Die Salbung wird traditionell hinter einem Sichtschutz ausgeführt, welcher den Blick auf den eigentlichen Salbungsakt verbirgt. Magische Rituale wirken schließlich umso überzeugender, je geheimnisvoller sie ausgeübt werden. Eingesetzt wird hierbei ein nach biblischem Rezept angefertigtes Krönungsöl, das auf einen goldenen Krönungslöffel geträufelt wird. Mit dem Öl zeichnet der ranghöchste Geistliche, der Erzbischof von Canterbury, dem König je ein Kreuzzeichen auf den Kopf, auf die Brust und auf die Hände.
Um den modernen Gegebenheiten im Vereinigten Königreich Rechnung zu tragen, durften diesmal an dem Church-of-England-Megaevent auch Angehörige anderer Religionen als Statisten mitspielen. Allerdings keine Atheisten. Kein Wunder. Sie würden diese magische Inszenierung wohl kaum ernst nehmen können.