Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass Kapitel 1 der Genesis (= 1. Buch Mose) eine weitere Schöpfungsgeschichte des Menschen enthält: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Historisch-kritisch betrachtet ist der Grund für die beiden alternativen Schöpfungsgeschichten das Zusammenfließen von Texten unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Wirkungsgeschichtlich wurde der Schöpfungsmythos, der die Nachrangigkeit Evas begründet, jedoch zumeist als detailliertere Schilderung der im ersten Kapitel nur angerissenen Schöpfung des Menschen verstanden. Besonders in frauenrechtlich-religiösen Kreisen wird allerdings gern die zweite Schöpfungsgeschichte vernachlässigt und die erste hervorgehoben, da diese die Gleichrangigkeit von Mann und Frau zu betonen scheint.
Kaum als Hilfskraft geschaffen, lässt sich die Frau in der zweiten Schöpfungsgeschichte mit dem Bösen ein, verstößt gegen das Gesetz Gottes und verführt auch noch den Mann dazu, es ihr gleichzutun. Ein sträflicher Akt, der bekanntermaßen die Vertreibung aus dem Paradies nach sich zieht. Das ganze irdische Jammertal verdanken wir also einer Frau. Und sie selbst verdankt dem illegalen Obstgenuss unter anderem die Tatsache, dass der Mann über sie herrscht (Gen 3,16).
Das motivische Repertoire zum Thema Frau, das in den ersten Kapiteln der Genesis angelegt ist, dient in Judentum und Christentum seit jeher als metaphysische Rechtfertigung für die Entrechtung der Frau: Sie ist minderwertig, da als Hilfskraft für den Mann geschaffen, sie ist Teil und damit Besitz des Mannes und – besonders gefährlich – ausgesprochen anfällig für das Böse, weswegen es unmöglich ist, ihr eine aktive Rolle bei der Religionsausübung zukommen zu lassen.
Frauen im Judentum
Im historischen sowie im heutigen orthodoxen Judentum sind die Aufgaben und Rechte der Geschlechter klar geregelt. Während es die primäre Aufgabe des Mannes ist, sich dem Gebet zu widmen, heißt die Aufgabe der Frau: Mutterschaft und Haushalt. In ihrer Eigenschaft als Mutter und Nahrungszubereiterin – bei der Fülle von Speisevorschriften im Judentum zugegebenermaßen kein leichter Job – kann es eine Frau zu einigem Ansehen bringen. Orthodoxe Rabbiner werden nicht müde, immer wieder die Wichtigkeit der Frau als Mutter und Köchin zu betonen und die Frau hochzuloben – sofern sie sich ordnungsgemäß in ihre häuslichen Pflichten fügt.
Ganz anders sieht es außerhalb des häuslichen Bereichs aus. In der Öffentlichkeit oder im politischen Leben hat eine Frau nichts zu suchen. Vor allem aber aus religiösen Dingen hat sie sich herauszuhalten.
Während männliche Kinder schon früh und sehr intensiv an das Lesen und rituelle Deuten religiöser Schriften herangeführt wurden und werden (oftmals die einzige Form von Bildung in ultrareligiösen Kreisen), wurden und werden Mädchen darin überhaupt nicht unterrichtet. Das Erlernen der heiligen Sprache Hebräisch, das Lesen von Thora und Talmud war für Mädchen und Frauen während vieler Jahrhunderte der Geschichte des Judentums sogar verboten.
In Synagogen gibt es getrennte Bereiche für Männer und Frauen. Der rituell wichtige und zentrale Bereich der Synagoge ist allein den Männern vorbehalten. Für Frauen sind die mehr oder weniger schmucklosen Randbereiche vorgesehen, in früheren Zeiten sogar durch Schleier oder Gitter vom Bereich der Männer abgetrennt. Selbstverständlich war auch das Amt des Rabbiners oder des Kantors über viele Jahrhunderte allein für Männer vorgesehen.
Bei allen Ausführungen des religiösen Judentums über die Frau schwingt stets die Sichtweise der Frau als unreinem Wesen mit. Ihre Monatsblutung macht sie besonders suspekt. Während der Blutung sowie in den sieben folgenden Tagen muss sie sich des Geschlechtsverkehrs enthalten und erst durch ein rituelles Reinigungsbad, die Mikwe, kann sie sich anschließend temporär von ihrer Unreinheit befreien.
Erst ab dem 19. Jahrhundert setzten innerhalb des Judentums langsam Reformbewegungen ein, die zur Gründung von Gemeinden führten, in denen unter anderem die Rechte von Frauen liberaler beurteilt wurden. In reformierten Gemeinden ist es Frauen heutzutage sogar gestattet, Rabbinerin zu werden. In orthodoxen jüdischen Gemeinden ist die Beschränkung der Frau auf den häuslichen Bereich auch heute noch unverändert.
Frauen im Christentum
Zum Beginn der westlichen Zeitrechnung ist die männliche Vorherrschaft in religiösen und gesellschaftlichen Dingen innerhalb des Judentums bereits seit Jahrhunderten etabliert. Von dieser Religion mit all ihren Vorstellungen bezüglich der Geschlechterrollen spaltete sich damals eine später recht erfolgreiche Sekte namens Christentum ab. Ob während der Frühzeit dieser Sekte tatsächlich auch Frauen in religiös relevanten Funktionen erlaubt waren, ist eine immer wieder gern diskutierte Frage. Entscheidend ist jedoch, dass innerhalb weniger Jahrhunderte die inhaltlichen Pflöcke dieser neuen Religion in den Boden der Geschichte gerammt wurden – und diese Pflöcke sahen keine Frauen im religiösen Machtgefüge vor.
Verstärkt wurde das in den Büchern des Alten Testaments bereits eindeutige Frauenbild noch durch einige neue Kapitel im frisch entstandenen Kanon heiliger Schriften des Christentums: das Neue Testament. Insbesondere Paulus tut sich dort durch seine Frauenfeindlichkeit hervor: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn, denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist“ (Eph 5,22-23; vgl. Kol 3,18). Auch das Motiv, dass die Frau Besitz des Mannes ist, wird hier erneut aufgegriffen: „Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst“ (Eph 5,28). Was auf den ersten Blick vielleicht aussehen mag wie eine Aufforderung zum freundlicheren Umgang mit der eigenen Ehefrau, nimmt doch bei genauerem Hinsehen die Besitzthematik der Genesis auf: Ihr Körper ist mein Körper, also kann ich, der Mann, auch darüber bestimmen. Ein Aspekt, der auch die heutige Haltung der Katholischen Kirche sowie christlich-fundamentalistischer Kreise zur Abtreibungsproblematik verständlicher macht: Ein Recht der Frau zur Selbstbestimmung über ihren Körper ist nach fundamentalistischer Auslegung der Bibel nämlich schlichtweg nicht vorhanden.
Vor allem begegnet aber auch bei Paulus wieder der zentrale Gedanke vom Ausschluss der Frauen von religiöser Macht: „Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz es fordert“ (1 Kor 14,33-34). Fast zweitausend Jahre lang blieben Frauen innerhalb des Christentums aufgrund solcher Überlieferungen vom Priesteramt und höheren Machtpositionen innerhalb der christlichen Hauptströmungen und Splittergruppen ausgeschlossen. Ähnlich wie im Judentum wurde die Frau als Hausfrau und Mutter fast vollständig in den häuslichen Bereich gedrängt und entrechtet.
Auch große Erschütterungen in der Geschichte des Christentums, wie zum Beispiel die Reformation, änderten hieran nichts. Im Protestantismus wurde zwar allerhand gegenüber der katholischen Kirche reformiert, die Rolle der Frau in Religion und Gesellschaft gehörte jedoch nicht dazu. Erst die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen im 20. Jahrhundert führten auch in einigen christlichen Kreisen zu einer langsamen Weiterentwicklung. In diversen protestantischen Gemeinden sowie der anglikanischen Kirche wurden auch Frauen zu Priesterinnen und später sogar Bischöfinnen geweiht. Aber der Weg ist noch immer zäh: Die erste Frauenordination in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden zum Beispiel wurde erst im Jahr 2011 durchgeführt.
In fundamentalistischeren protestantischen Strömungen sowie im orthodoxen Christentum ist dagegen das klassische christliche Bild der Frau unverändert. Sie hat in der Gemeinde zu schweigen und sich Mutterschaft und Haushalt zu widmen. Auch in der katholischen Kirche ist es Frauen bis heute verboten, das Priesteramt zu übernehmen. Vom Bischofs-, Kardinals- oder gar Papstamt ganz zu schweigen.
Frauen dürfen zwar assistierende Aufgaben in der Gemeinde ausüben, jedoch keine religiös-liturgischen, und keine, die sie am religiösen Machtgefüge der Kirche beteiligen würden.
Geradezu kurios ist es angesichts ihrer deutlich abwertenden Haltung in Bezug auf Frauen, dass die katholische Kirche seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts peinlich bemüht ist, in offiziellen Dokumenten die Erwähnung einer Minderwertigkeit der Frau oder eine Pflicht zur Unterordnung unter den Mann zu vermeiden. Man überschlägt sich im Gegenteil sogar, die Gleichwertigkeit der Geschlechter zu betonen. Allerdings – so die Argumentation – haben die Geschlechter verschiedene Aufgaben und Funktionen im Leben, aus denen unterschiedliche Rechte und Pflichten resultieren. Da diese Funktionen natur- und damit gottgegeben sind, muss sich jeder Mensch in sein geschlechtliches Schicksal fügen: die Frau in ihre Aufgabe als Hausfrau und Mutter, der Mann in die – gewiss äußerst qualvolle – Aufgabe der kirchlichen und weltlichen Machtausübung.