Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt. Verlag Antje
Kunstmann, München 2010. 254 Seiten, Euro 19,90, ISBN 978-3-88897-682-7
Barbara Ehrenreich ist sicher eine der bekanntesten und profiliertesten Kennerin der US-amerikanischen Gesellschaft und Kritikerin der so genannten New Economy. Für ihr Buch Nickel and dimed recherchierte sie die Bewerbungslage und Arbeitswelt der so genannten McJobs-Generation (Niedriglöhner). Nun legt sie ein weiteres thematisch höchst interessantes Buch vor, das meines Erachtens für die säkulare Szene wegweisend sein kann: Eine Bestandsaufnahme der Ideologie des „Positiven Denken“.
Ausgangspunkt für ihre Recherchen war Ehrenreichs eigene Brustkrebserkrankung. Nun erscheint es zunächst einmal verwunderlich, dass jemand mit einer solch belastenden Diagnose sich Zeit für investigativen Journalismus nimmt. Aber die Erklärung liegt auf der Hand: „Die zwischen zwei und drei Millionen an Brustkrebs erkrankten Frauen (...) bilden gemeinsam mit ihren besorgten Angehörigen einen riesigen Markt für all die Dinge, die mit der Krankheit zusammenhängen.“ (S. 31) Gerade die Gurus und Motivationstrainer des „Positiven Denkens“ überschwemmen die Menschen mit Seminaren und Workshops, Lesungen und Vorträgen, Zeitschriften, DVDs und Büchern.
Ehrenreich bezeichnet sich selbst trotz ihrer Erkrankung nicht als negativ eingestellten Menschen. Lieber würde sie mehr Feste feiern, Freude empfinden und auf Straßen tanzen. Aber, und das scheint mir ein zentraler Aspekt des Buches zu sein: „Wir werden diese paradiesischen Zustände nicht erreichen, indem wie sie uns herbeiwünschen. Wir müssen uns einen Ruck geben und gegen furchterregende Widerstände kämpfen (...).“ (S. 22)
Ganz rational und logisch denkend geht sie dieser Entwicklung auf den Grund.
Dabei kommt die Autorin zu einer erschreckenden Erkenntnis: Die Ideologie
des „Positiven Denkens“ hat alle Teile der US-amerikanischen Gesellschaft erfasst. Es gibt heute kein Industriezweig, keine Hochschule, keinen Haushalt, keinen Manager, keinen Studenten, keinen Politiker und vor allem keinen Patienten, welcher nicht tagtäglich mit den Angeboten der Glücksindustrie zu leben hat. Dass diese milliardenschwere Industrie/Ideologie des „Positiven Denkens“ überhaupt so erfolgreich werden konnte, liegt im American Way of Life begründet. Die ersten Siedler Amerikas waren ganz dem protestantischen Calvinismus verschworen, welcher nichts mit einer positiven Weltsicht zu tun hat. Aber mit dem Übergang zum Spätkapitalismus, gespeist von so unterschiedlichen Richtungen wie dem Transzendentalismus, der theosophischen Lehre oder auch dem Hinduismus, veränderte sich auch die Haltung der Menschen. Erfolgreich war nicht mehr der, der entbehrte, sondern der, der bereit war, mehr zu wollen. Und davon gibt es in den Vereinigten Staaten viele. Schließlich wachsen dort die Menschen mit dem Traum auf, dass auch ein Tellerwäscher eines Tages ein Millionär sein kann.
In acht Kapiteln geht Ehrenreich sowohl auf die historische Entstehung als
auch auf die aktuellen Ausprägungen dieser Ideologie ein. Es bleibt ein fader Beigeschmack. Nicht zuletzt deshalb, weil auch hierzulande die Ideologie immer mehr Menschen in ihren Bann ziehen. Es wird Zeit sich dieser Entwicklung bewusst zu werden.