Auch wenn die Begleitung Sterbewilliger seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht mehr strafbar ist, gibt es weiterhin keine umfassende Rechtssicherheit. (Foto: Gaertringen / pixabay)
Staat und Kirche MIZ 2/24

Im Zweifel gegen den Angeklagten?
Zur Frage der Freiverantwortlichkeit aus juristischer Sicht

Robert Roßbruch

Im Frühjahr ergingen zwei Urteile gegen Ärzte, die Menschen geholfen hatten, sich das Leben zu nehmen. Es ging vor Gericht jeweils um die Frage, ob – angesichts einer psychischen Erkrankung der Betreffenden – die erforderliche Freiverantwortlichkeit bei der in den Tod begleiteten suizidwilligen Person vorgelegen habe. Sowohl das Landgericht Essen im Februar als auch das Landgericht Moabit im April beantworteten die Frage mit „Nein“ und verurteilten Dr. Johann Spittler und Dr. Christoph Turowski wegen Totschlags zu mehrjährigen Haftstrafen. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. (MIZ-Redaktion)

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Porträt Gunnar Schedel, Foto: privat
Editorial MIZ 2/22

Ich bin dann mal weg…

Gunnar Schedel

Ich weiß nicht, ob es etwas geändert hätte. Hätte mein Jugendfreund ein Beratungsangebot, wie es nun vorgesehen ist, wahrgenommen? Hätte er seinen Entschluss, das Leben hinter sich zu lassen, das ihm mit den Jahren zu einer Last geworden war, die er nicht mehr tragen konnte, revidiert? Hätte er sich Pentobarbital verschreiben lassen, anstatt von einer 50 Meter hohen Autobahnbrücke zu springen? Ich denke, die bürokratischen Hürden und die Rolle des Bittstellers hätten ihn, einen Mann mit Hochschulabschluss im sechsten Lebensjahrzehnt, abgeschreckt. Aber ich kann mich täuschen.

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Dieter Birnbacher (DGHS), Ludwig Minelli (dignitas) und Michael Schmidt-Salomon (gbs) nach Verkündung des bahnbrechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB im Februar 2020, Foto: Michael Reich
Schwerpunktthema MIZ 2/22

Ein neues Suizidhilfe-Gesetz wird 
im Bundestag diskutiert
Welche Positionen vertreten die säkularen Verbände?

Gunnar Schedel

Im Februar 2020 befand das Bundesverfassungsgericht, dass die bestehende Fassung des § 217 StGB, der nahezu jede Unterstützung von Suizidwilligen unter Strafe stellte, gegen das Grundgesetz verstoße. In der Debatte um eine gesetzliche Neuregelung der Suzidhilfe zeigte sich schnell, dass die Konservativen in allen Fraktionen nicht bereit waren, sich einfach damit abzufinden, was Karlsruhe klargestellt hatte: Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen gilt auch am Lebensende. Dahinter steht auch eine tiefe Kluft, was das jeweilige Menschenbild angeht.

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Das Universalwerkzeug der Medizinethik: Nicht-Schädigung, Fürsorge, Respektierung der Selbstbestimmung und der Gerechtigkeit, Fotos: LMoonlight / Pixabay
Schwerpunktthema MIZ 2/22

Selbstbestimmung – vier Missverständnisse

Dieter Birnbacher

1979 haben Tom Beauchamp und James Childress zum ersten Mal für die Medizin ihren Kanon der Vier Prinzipien der Nicht-Schädigung, der Fürsorge, der Respektierung von Selbstbestimmung und der Gerechtigkeit formuliert. Seitdem ist dieses Schema international zu so etwas wie dem Universalwerkzeug der Medizinethik geworden. Eine der eher problematischen Konsequenzen dieses Erfolgs war, dass das dritte Prinzip, im Englischen autonomy genannt, im Deutschen immer wieder unter dem Namen „Autonomie“ geführt wird. Dabei blieb häufig unbeachtet, dass „Autonomie“ im Deutschen durch eine Vielzahl von Bedeutungen belegt ist, die mit der Respektierung des Patientenwillens, um die es bei autonomy geht, allenfalls indirekt zu tun haben.

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Staat und Kirche MIZ 3/15

„Eine schlimme Niederlage für das Selbstbestimmungsrecht“
Ein Gespräch mit Dieter Birnbacher über Suizidhilfe

Redaktion MIZ und Dieter Birnbacher

Am 6. November hat der Bundestag ein Gesetz gegen die „geschäfts­mäßige Förderung der Selbsttötung“ verabschiedet. Damit ist es in Zukunft verboten, Menschen, die aus dem Leben gehen möchten, die Gelegenheit dazu zu verschaffen oder zu vermitteln. Unter „ge­schäftsmäßig“ wird nicht verstanden, dass ökonomische Interessen vorherrschend sind. Auch die auf Wiederholung angelegte Tätigkeit von Organisationen wie Dignitas wird damit erfasst. MIZ sprach über das Gesetz und zu erwartende Folgen mit dem Philosophen Dieter Birnbacher.

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