Der bekannteste säkulare Gefangene war wohl der Blogger Raif Badawi, der seit 2012 einsaß. Sein Vergehen: Er hatte einen „religionslosen“ Staat gefordert, in dem alle Religionen gleichberechtigt behandelt werden. Seit 2014 setzt in Saudi-Arabien ein „Anti-Terror-Gesetz“ Atheismus und Religonskritik sogar mit terroristischen Angriffen auf die Fundamente des Staates gleich. Auch wenn Raif Badawi im März dieses Jahres nach knapp zehn Jahren aus der Haft entlassen wurde, ist er nicht frei, da er mit einem Ausreiseverbot belegt wurde. Die Haftbedingungen und die vollzogene Prügelstrafe werden ihn sein Leben lang zeichnen.
Auch der Fall des indonesischen Atheisten Alexander Aan erlangte eine gewisse Öffentlichkeit, weil Amnesty International ihn zum politischen Gefangenen erklärte. Er hatte in einer atheistischen Facebook-Gruppe den Satz „God doesn’t exist“ gepostet und die Theodizee-Frage aufgeworfen. Im Juni 2012 wurde Aan daraufhin wegen des „Verbreitens von Informationen, die dazu dienen, religiösen Hass oder Feindlichkeit zu erzeugen“ zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt (und musste gut anderthalb Jahre davon absitzen).
Doch ansonsten erfährt das deutschsprachige Publikum von verfolgten Säkularistinnen oder Atheisten wenig. Nur im Fall ihrer Ermordung finden sie den Weg in die Medien. Selbst in der säkularen Szene sind Informationen dazu nur spärlich verbreitet.
Projekt 48 möchte dies nun ändern und plant zukünftig jedes Jahr am Atheist Day, dem 23. März, eine Liste der säkularen Gefangenen zu veröffentlichen. „Der Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen, dass das Eintreten für eine säkulare Gesellschaft Menschen ins Gefängnis bringen kann, ist politisch wichtig“, meint Vorstandsmitglied Martin Bauer. „Und für die Inhaftierten ist es das Mindeste, was wir tun können, an sie zu erinnern.“
Anfang Oktober wurden als erster Schritt weltweit etwa 60 atheistische und humanistische Organisationen angeschrieben und um Mithilfe gebeten. Der Rücklauf sei noch überschaubar, „aber wir wissen, dass wir viel kommunizieren müssen, bis das Projekt in der säkularen Szene angekommen ist“. Zunächst sei wichtig, ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass eine solche gemeinsam erstellte und vom Projekt 48 verwaltetete Liste ein wichtiger Baustein in einer gemeinsamen säkularistischen Öffentlichkeitsarbeit sein könne. „Ein unverzichtbares Zeichen transnationaler Solidarität ist es auf alle Fälle“, so Martin Bauer.
Für die Liste gibt es natürlich Vorbilder. So hat beispielsweise die Internationale der KriegsdienstgegnerInnen (WRI) den 1. Dezember zum „Tag der Gefangenen für den Frieden“ erklärt und regelmäßig eine Liste inhaftierter Kriegsdienstverweigerer veröffentlicht. Auch Projekt 48 will die Liste jedes Jahr an einem bestimmten Tag in aktualisierter Form veröffentlichen und hat dafür den Atheist Day ins Auge gefasst.
„Wir dürfen unsere Ressourcen nicht überschätzen. Natürlich wäre es wünschenswert, zu dem Thema eine permanente Kampagne durchzuführen, aber gerade am Anfang wird es viel Kommunikation brauchen, die Liste bekannt zu machen und das notwendige Vertrauen herzustellen.“ Es sollen möglichst nicht nur Name und Haftdauer der Betroffenen aufgeführt werden, sondern deren politische Arbeit soll vorgestellt werden und im Idealfall sollen sie „ein Gesicht“ bekommen.
Die ersten Ansprechpartner waren zwar Organisationen, aber im Prinzip kann jeder zur Liste beitragen. Wer regelmäßig ausländische Medien verfolgt, Freunde oder Verwandte im Ausland hat oder in einer internationalen Organisation tätig ist, kann zufällig auf eine Information stoßen, die auf einen „Fall“ hindeutet. „Am Anfang sind wir erstmal für jeden Hinweis dankbar“, erklärt Martin Bauer. Ziel sei natürlich, ein weltweites Netzwerk zu bilden, das sich mit dem Thema befasst, aber das sei eher eine mittelfristige Perspektive.
Wer in Sachen „Liste der säkularen Gefangenen“ mit Projekt 48 Kontakt aufnehmen möchte, kann die unter info@projekt-48.de.
Informationen: „Um diese Liste erstellen zu können, brauchen wir eure Hilfe.
Wenn ihr von Menschen wisst, die im Gefängnis sitzen, weil sie sich zum Atheismus bekannt haben oder für eine säkulare Gesellschaft eintreten oder Frauenrechte und Meinungsfreiheit gegen religiöse Einschränkungen verteidigt haben, teilt uns diese Fälle bitte mit.
Wir brauchen dafür im besten Fall eine kurze Beschreibung, was der Person vorgeworfen wird, wie das Urteil lautete und wo sie inhaftiert ist. Auch ein paar Sätze zu den Betroffenen, zum Beispiel ihrem beruflichen oder politischen Hintergrund, können interessant sein. Wenn es Quellen gibt, die das Geschehen dokumentieren, ist das von Vorteil.“