MIZ 1/13

Der geheiligte Status quo

"Alle großen Wahrheiten waren anfangs Blasphemien" (G.B. Shaw)
Editorial

Verbieten verboten

Christoph Lammers

Wären Sie überrascht, wenn ich Ihnen sagen würde, dass von 198 Staaten dieser Erde 32 (16%) so genannte Anti-Blasphemie-Gesetze und 20 (10%) Gesetze gegen Glaubensabfall besitzen, zudem 87 Länder (44%) Gesetze gegen die Diffamierung von Religionen im Allgemeinen bzw. Hassreden gegen die Angehörigen von Glaubensgemeinschaften in ihren Gesetzbüchern behandeln?1 Und wussten Sie, dass in acht von 45 europäischen Staaten so genannte Blasphemie-Gesetze existieren und in 35 europäischen Ländern Gesetze gegen Diffamierung bzw. Hassreden existieren? Und was halten Sie davon, dass in Irland Gotteslästerung erst kürzlich unter Strafe gestellt wurde?2

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Schwerpunktthema

Schwerpunktthema

„Wir müssen uns daran gewöhnen, dass es Kunst gibt, die uns nicht gefällt“
Ein Gespräch mit Assunta Tammelleo über Blasphemie, die Schere im Kopf und den Kunstpreis „Der Freche Mario“

Redaktion MIZ und Assunta Tammello

Kunst und Religion kollidieren besonders häufig und heftig. Denn Spott und Ironie gehen mit der Vorstellung des Unantastbaren nur schwer zusammen. Auch der § 166 StGB, der sogenannte Gottes­lästerungsparagraph, wurde nur selten gegen lange Abhandlungen, dafür umso öfter gegen Zeichnungen, Erzählungen oder Foto­montagen in Anschlag gebracht. Der Kunstpreis „Der Freche 
Mario“ will genau solche „lästerlichen“ Kunstwerke prämieren. 
MIZ sprach mit Assunta Tammelleo, die den Preis zusammen 
mit Wolf Steinberger gestiftet hat.

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Schwerpunktthema

Blasphemie in China? Kein Thema

Heiner Jestrabek

Blasphemie (blasphêmía βλασφημία, griech. „Rufschädigung“, im engeren Kontext „Gotteslästerung“) bedeutet, dass ein in seiner Existenz zwar nicht bewiesener „Gott“ oder bestimmte Glaubensinhalte einer Religion verneint, verhöhnt, verflucht oder belacht werden. Und dieses „Verbrechen“ müsse eine irdische Gesellschaft angeblich ahnden. Eine kuriose Annahme, denn ein angenommener Allmächtiger müsste eigentlich selbst in der Lage sein, sich zu wehren. Die übertriebene Gereiztheit der Religiösen macht wohl nur Sinn, wenn sie meinen, stellvertretend handeln zu müssen. Aber das müssen wir Nichtreligiösen ja nicht verstehen. Wenn allerdings „Blasphemie“ vom Staat geahndet wird, macht die Frage nach dieser Anmaßung schon Sinn.

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Staat und Kirche

Staat und Kirche

Jetzt auch in grün…
Auch bei Bündnis 90/Die Grünen organisieren sich 
die Säkularen

Gunnar Schedel

Die Zahl der gesellschaftlichen Konflikte mit weltanschaulichem Hintergrund nimmt derzeit zu; ob Tanzverbot, die Ablehnung konfessionsloser Bewerber in Sozialeinrichtungen oder Konkordatslehrstühle. Mittlerweile wird auch in der Politik wahrgenommen, dass „Säkularität“ eine wichtige Voraussetzung für eine freie Gesellschaft ist. Nach Sozialdemokraten und Linken haben sich Anfang des Jahres auch säkulare Grüne in einem bundesweiten Arbeitskreis zusammengefunden.

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Staat und Kirche

„Die betroffenen Eltern, Schüler und
 Lehrer über ihre Möglichkeiten aufklären“
Ein Gespräch mit Rainer Ponitka über die „Schul“-Kampagne

Redaktion MIZ und Rainer Ponitka

„Konfessionslos in der Schule“ – das ist mittlerweile Normalität überall in Deutschland. Durch den Anstieg der konfessionslosen Schülerschaft ergeben sich aber auch mehr Konflikte. Der Inter­nationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) nimmt sich deshalb 2013 des Themenfeldes mit einer Kampagne an. MIZ sprach mit Rainer Ponitka, dem Sprecher der AG Schule, der auch die Aktivitäten der „Schul“-Kampagne koordiert.

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Staat und Kirche

Konkordatslehrstühle in Bayern bald Geschichte?

Theodor Ebert

Am 31. Januar 2013 gab die Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariates München zur großen Überraschung auch säkularer Verbände folgendes bekannt: „Bei ihren Beratungen hat sich die Freisinger Bischofskonferenz mit der Frage des Rechts zur Mitwirkung an der Besetzung der außerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultäten bestehenden Konkordatslehrstühle auseinandergesetzt und beschlossen, auf die Ausübung dieses Rechts aus dem Bayerischen Konkordat verzichten zu wollen. Diesbezüglich wird das Katholische Büro Bayern beauftragt, die erforderlichen Kontakte zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern herzustellen.“

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Prisma

Prisma

Zentrum mit Ausstrahlungskraft für Berlin
Kardinal Woelki hinter den Wolken hervor geholt

Roland Ebert

Ende Januar 2013 berichtete die Presse über zwei entgegengesetzte Ereignisse. Der Fakultätentag der katholischen Theologen in der BRD bedauerte, dass in den letzten Jahren die Bewerberzahl für ein Priesterstudium auf etwa die Hälfte gefallen ist. Da die theologischen Fakultäten mit der Priesterausbildung stehen und fallen, ist langfristig entweder mit deren Schließung oder der Eingliederung in weltliche Fakultäten zu rechnen. Lediglich die Zahl der Laientheologen sei in den letzten Jahren angestiegen. Man sah in der Laienausbildung die Überlebens- und Zukunftschance dieses Faches.1 Gleichzeitig eröffnete der Berliner Erzbischof Woelki seinen Plan über die Errichtung einer katholischen Fakultät in Berlin.2 Dies ist auf Anhieb nicht zu begreifen. Was bedeutet dies? Was sind die Hintergründe?

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Prisma

Fragmentierter Antisemitismus
Aktuelle Befunde und ein Kommentar zur Antisemitismusdebatte

Peter Ullrich

Die Ergebnisse der aktuellen Studie Die Mitte im Umbruch sind schockierend. Was wir dort an Einstellungsmustern zutage för­derten und insbesondere die deutlichen Abwärtstrends bei demokratiefeindlichen Ansichten signalisieren einen Zustand der Gesellschaft, die sich besonders dort, wo die Krise stärker anklopft, immer chauvinistischer geriert. Das Verdienst der Mitte-Studien seit 2002 ist, dass sie immer darauf hingewiesen haben, dass extremes rechtes Gedankengut (Diktaturbefürwortung, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Sozialdarwinismus, Ver­harmlosung des Nationalsozialismus und Antisemitismus) nicht nur ein Phänomen der politischen ‘Ränder’ ist, sondern in allen Klassen und sonstigen Segmenten der Gesellschaft anzutreffen ist. Denn es basiert auf allgemeinen Strukturen und Kategorien, vor allem aber auf den Widersprüchen, die unsere gesamte Gesellschaft prägen.

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